I han koi Zeit ned
„Oh mei“, denkt der Passauer Spaziergänger, als die freundliche Nachbarin erklärt, dass sie nie Zeit hat. Nie. „Oh mei“, denkt er, „wie arm ist denn das?“
Keine Zeit? Er rechnet: acht Stunden Schlaf plus acht Stunden Arbeit plus acht Stunden Zeit macht 24 Stunden. Aber Frau Huber hat keine Zeit? Nie? Wo haben sich die acht Stunden Zeit versteckt, die ihr von Natur aus zustehen? Er hatte ihr erzählt, dass er sich einen Vorweihnachts-Bummel durch die traditionellen Passauer Wäsche- und Bekleidungsläden gegönnt hatte, vom Zacharias in der Ludwigsstraße über den Textil Paul in der Brunngasse zum Gentleman und zum Reitberger in der Wittgasse. Und danach hat er sich eine saubere Brotzeit beim Thomas Weiherer in den Peschl-Terrassen gegönnt: Preßsack rot weiß, in Essig und Öl, mit Gurkerl, Zwiebelringerl und Brot. „Jaja“, hat sie gesagt, „ihr Rentner...“ und das klang sehr abschätzig. „Wenn ich was brauch‘, renn‘ ich vorn in die Stadtgalerie am ZOB rein und hint wieder raus - und die zehn Minuten fehlen mir dann den ganzen Tag.“ Wie traurig, denkt der Spaziergänger, wo Passau so schön zum Bummeln ist und so viel Freude für den bereit hält, der ein bisserl Zeit hat. Zeit für sich und Zeit für Freu(n)de.