Kulturbummel zur halben Kirche
Frühere Generationen waren da nicht so pingelig wie wir: Wenn ebbs im Weg stand, räumte man es halt weg. Auch wenn es eine Kirche war. Als der Passauer Spaziergänger zum ersten Mal zur Morgenmesse in die Votivkirche ging, fühlte er sich schlagartig unwohl. Er wusste nicht warum, aber er fühlte sich beengt und irgendwie betrogen. Nicht Maria, die hier verehrt wird, und auch nicht der Maristenmönch, der die Andacht hielt, waren daran schuld. Im Gegenteil versöhnten sie ihn ein wenig mit dem, was er spürte - aber damals nicht wusste: Um die Ludwigsstraße zu verbreitern, hat der Passauer Stadtrat die 1686 erbaute Klosterkirche der Franziskaner 1965 kurzerhand um lange 14 Meter kürzen lassen. Was übrig blieb von dem einst prächtigen Kirchenbau? Ein Andachtsraum. Den die Maristen für sich und viele andächtige Besucher trotz allem zu einem geschmackvollen Ort der Ruhe, des Friedens, der Einkehr gemacht haben. Aller Willkür zum Trotz.